Positionierung

Zu den Mysterien von Marketing und strategischer Kommunikationsplanung gehört die Positionierung. Mysterium vor allem deshalb, weil die Positionierung als conditio sine qua non auf der Agenda der Organisationen ganz oben steht wie ein Fels in der Brandung, an dem nichts und niemand zu rütteln vermag.

Der Terminus stammt wie viele andere Bezeichnungen im Management aus dem Militärischen. Ursprünglich galt unangefochten, dass es die Position auf einem definierten und allgemein anerkannten Hauptkampfplatz ist, die über Sieg und Niederlage entscheidet. Gewonnen hatte der Kombattant, der den Hauptkampfplatz erfolgreich verteidigte. Zentraler Kampfplatz der auf das Management transformierten Positionierung ist das Positionierungskreuz in seinen Variationen oder die Portfoliomatrix.  Gemeinsam ist beiden Konzepten der fundamentalistische Gestus: hier stehe ich und kann nicht anders. Ist die Entscheidung einmal gefallen, gibt es kein Zurück, so und nicht anders, Sieg oder Verderben.

Die Positionierung suggeriert im Krieg wie im Management, dass eine Position die richtige und entscheidende ist. Und diese Position muss ausgewählt und besetzt werden. Der klassische Positionierungsansatz versucht Komplexität zu reduzieren. Der USP (Unique Selling Proposition) setzt auf ein Argument als Verkaufsversprechen zur Differenzierung von anderen Angeboten. Ein Argument ist dann (kriegs-)entscheidend.

Zurück zum Militärischen: Spätestens nach den desaströsen Erfahrungen mit Stellungskriegen im Ersten Weltkrieg und der im Zweiten Weltkrieg nicht minder menschenverachtenden Strategie des Einkesselns (von Positionen) sind Positionierungen im Militärischen nur noch Gegenstand taktischer Überlegungen. Umso bemerkenswerter, wie die strategische Unternehmens-, Marketing- oder Kommunikationsplanung an der Metapher der Positionierung festhält.

Robert H. Scales (2004) beschreibt aus den Erfahrungen mit asymmetrischen Konflikten das Konzept des „Cultur-centric Warfare“. Dieser Ansatz relativiert die militärtechnologischen Möglichkeiten und betont stattdessen weiche Faktoren wie Motivation, Intention, Methode und Kultur waffentechnisch wie zahlenmäßig unterlegener Gegner. Kommunikativ wie militärpraktisch lässt sich deren Vorgehen nach Michel de Certeau als „Taktik“ des Kriegs der vierten Generation beschreiben. Dabei wird die Positionierung sogar zum Risiko, weil sie die Anderen (Konkurrenten, Kunden, Interessengruppen etc.) zu Manövern der Aneignung und des Umfunktionierens motiviert (De Certeau 1988: 23).

Nimmt man den Ansatz des Culture-centric Warfare ernst, dann besteht weniger Positionierungs-, sehr viel mehr Kommunikationsbedarf – genauer Narrationsbedarf. Dass nämlich die besseren Geschichten nicht selten ausschlaggebend sind für den militärischen Erfolg wusste bereits zur Zeit der Kreuzzüge der Abt von Cluny, Petrus Venerabilis, und ließ sich zu dem für damalige Verhältnisse kühnen Unternehmen der ersten Koranübersetzung ins Lateinische hinreißen. Le Goff bemerkt dazu, dass „Petrus Venerabilis als erster die Idee hatte, die Moslems nicht auf militärischem, sondern auf geistigem Gebiet zu bekämpfen“ (Le Goff 1986, 22). Fast 1000 Jahre später stehen wir in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen einer vernetzten globalisierten Welt – so schließt sich der Kreis – vor ähnlichen Herausforderungen.

Bemerkenswert ist, dass in den Think Tanks der Militärs längst über strategische Narrationen, „Strategic Narratives“ (Freedman 2006, 22) diskutiert wird, während man in den Chefetagen der Unternehmen, aber auch der Parteien, Verbände und Vereine noch seine Position zu behaupten sucht – wenn man sie überhaupt jemals findet.

 

Die Alternative zur Positionierung heißt nicht keine Position. Wer keine Position einnimmt, bekommt eine zugewiesen, irgendwo steht man immer, solange man nicht ausgeschieden ist. Aber statt der betonköpfigen Haltung ’so und nicht anders‘ bedarf es der Bereitschaft, bessere Möglichkeiten jederzeit für denkbar zu halten: ’so oder auch anders‘. Das Risiko eines zu frühen oder zu späten Positionswechsels zieht damit die Aufmerksamkeit auf sich. Das Führungsverhalten verändert sich grundlegend. Aus den kleinen Göttern des Alltags, die im Fall der Niederlage zu großen Schurken umgedeutet werden, werden Freunde verständigungsorientierter Kommunikation – nicht als Ersatz für die eigene Entscheidung, sondern als deren Voraussetzung.

Die Alternative zur Position ist die Narration. Für das strategische Erzählen sind, nimmt man die Erkenntnisse der Militärs ernst, die Narrative von Konsumenten und Produzenten gleichermaßen relevant. Narrative Strategien sind also nicht bloß erzählerische Vermittlungen der Markenbotschaft an das Zielpublikum. Vielmehr entsteht die Narration im Zusammenspiel zwischen Produzenten und Konsumenten. Ein hierzulande wenig verbreitetes Beispiel ist das aus dem alten China überlieferte Arsenal von Kunstgriffen des situativen listigen Handelns. Diese 36 Strategeme (von Senger 2011) sind als Narration von Generation zu Generation überliefert worden. Genau genommen, und das ist die Herausforderung für die Strategische Kommunikationsplanung, sind sie aber keine strategischen Narrationen, sondern narrative Strategien.

 

De Certeau, Michel (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve.

Freedman, Lawrence (2006). The Transformation of Strategic Affairs. Abingdon / New York: Routledge.

Le Goff, Jaques (1986): Die Intellektuellen im Mittelalter. München: DTV 1993.

Scales, Robert H. (2004): Culture-Centric Warfare, US Naval Institute Proceedings, October 2004.

Von Senger, Harro. (2011): 36 Strategeme: Lebens- und Überlebenslisten aus drei Jahrtausenden. Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag.

 

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